Wo ist eigentlich dieses "da heim"?
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Frohes Neues zusammen,
der Samstag ist schon wieder über eine Stunde alt und morgen geht es zurück nach Tampere. Wie waren sie also nun, meine Tage in der Heimat?
Die Tage vor Weihnachten verbrachte ich natürlich mit dem Kauf von Geschenken, sonst hätte mir auch was gefehlt. Das Fest selber verlief relativ normal, aber gemütlich, mit Braten, Spaziergang, Geschenken, Lego spielen ...

und die restlichen Tage des alten Jahres waren sehr entspannt, die geschenkten Hörbücher wurden gehört, die geschenkten Spiele gespielt, und die geschenkten Nascherein genascht. Meine Vorsätze zum Selbststudium mussten also der Realität von zwei Wochen Ausruhen weichen. Ab und zu, jedoch selten, begab ich mich auch unter Menschen, wobei mir leichte Reintegrationsschwierigkeiten auffielen. Nicht nur, dass ich in den ersten Tagen den Bus per Handzeichen anhalten wollte und mir manchmal noch ein "kiitos" oder "moi" rausrutscht, ich muss mich echt daran gewöhnen, dass Deutsche gesprächiger sind als Finnen. Man kommt im Supermarkt nicht mehr mit nur zwei Wörtern aus. Und Albrecht hat mich an einem Abend mal ins Mama Joe's eingeladen, wo mich eine Kellnerin mit den Worten "Mein Infotutor" von der Seite ansprach und ich war erst mal ganz verwirrt, wer wie was und so. (Sie hatte mal vor einem Jahr in meiner Übung zu "Informatik Grundlagen" gesessen) Doch auch Finnisch verlernt man recht schnell, wenn der Kontakt zur Zweitheimat sich auf kurze Chats oder Anrufe zu den Festtagen beschränken.
Silvester verbrachte ich mit 3 weiteren Mädels bei Susi, wo wir auch schon die traditionelle Weihnachtsfeier im Freundeskreis veranstaltet hatten. Eine neue Erfahrung für mich: Mit leerem Magen sollte man nicht zum Fondueessen gehen. Nach Tanz und Bleigießen ging es auf den Schlossberg, wo man eine bezaubernde Aussicht hat und nur so von Feuerwerk umgeben ist.

Unter den Vorsätzen und Wünschen fürs neue Jahr steht die Gesundheit ganz oben auf der Liste, durfte ich doch die Tage hier mit weniger aufbauenden Krankenhausbesuchen verbringen. Ein Blog ist kein richtiger Ort um da ins Detail zu gehen, mein Herz ist dafür um so mehr belastet.
Aus diesem Grunde wurde der Geburtstag meiner Mutter nur zu dritt gefeiert, bei Kartenspielen und Feuerzangebowle

Obwohl ich Freunde und Familie wiedergetroffen habe, waren die Tage doch weniger feierreich als in Tampere (auch wenn ich feststellen musste, dass die Leute durch Lesen meines Blogs denken, wir wären da oben nur am Feiern, was natürlich nicht der Fall ist, aber was soll man über den tristen Studienalltag schon groß berichten), sondern eher besinnlich und ruhig, doch ich habe die Geborgenheit sehr genossen.
Ich war kurz auch in meiner Heimatuni und nachdem ich dort im Computerpool rausgefunden habe, dass der Tamperer Kurs "Genomic Signal Processing" stinkt, stellte ich mit Freude in der Mensa fest, dass an der TU Chemnitz doch alles beim Alten geblieben ist. OK, das in der Tat noch schlechtere Essen (im Vergleich zu Tampere Mensen) ist im neuen Jahr 5 Cent teuerer geworden, aber am Esstisch in der Informatikerecke sind die Unterhaltungen so leicht wie eh und je, sehr wohltuend.
Heute (naja mittlerweile gestern) abend war ich im Kino zu "Das Parfum" (ein sehr guter Film) und morgen feiern Maddin und Lenny ihren Geburtstag nach, der Abschluss meines Aufenthaltes in der Heimat.
So richtig zurück will ich eigentlich nicht, das liegt aber hauptsächlich am Müßiggang der Tage hier und an der anstehenden Arbeit in Tampere. Doch bereits am ersten Februarwochenende ist der Spuk vorbei und ich habe fast einen ganzen Monat zum Erkunden von Finnland und Umgebung (so weit mich mein Geldbeutel halt noch tragen kann). Begleitet werde ich dabei schon mal von Albrecht, der mich besuchen kommt. Ich freue mich schon auf diese Zeit und auch auf meine endgültige Heimkehr in der Nacht zum 28. Februar.
Bis dahin, passt auf euch auf,
ich will jeden gesund wiedersehen im März.
Bis bald.
oLi
Szenenwechsel
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Hallo,
jetzt sitze ich also hier "zu hause", die PC-Uhr zeigt noch finnische Zeit, 3:25 Uhr, und da ich nach der Heimreise noch relativ wach bin, fang ich einfach mal an, all das nachzuholen, was ich in den letzten Tagen nicht geschafft habe.
Nein, bevor ich das mache, will ich noch schildern, dass das alles momentan relativ komisch ist. Leute, ihr da in Chemnitz, ich vermisse euch und bin froh euch wieder bei mir zu haben, besser gesagt, wieder unter euch zu sein. Leute, ihr da in Tampere, ich bin irgendwie zur Hälfte immer noch im Mikontalo und weiß, dass da gerade irgend eine Abschiedsfeier steigen wird, wie vor kurzem bei Michal,

und dass ich euch irgendwie jetzt schon vermisse, und mich schlecht fühle, euch über Weihnachten alleine zu lassen. Aber vor allem: Leute, ihr, die ich für längere Zeit weder in Chemnitz noch in Tampere wiedersehen werde, ihr seid ganz besonders vermisst. Es war 'ne geile Zeit mit euch allen und traut euch ja nicht, einfach aus meinem Leben zu verschwinden, ich will euch alle wieder sehen. Ich weiß, dass des Abschieds wegen viele Tränen fließen werden. Noch hat es keine geschafft, mich heimzusuchen, aber seid euch sicher, wenn etwas Ruhe einkehrt, wird das nachgeholt. Macht es gut Freunde, Jörg, Francois, Michal, Julia, Martin, Sabine, Eunike, Silke, Andrea und all die anderen. Ich wollte erst ein paar Fotos von euch zusammensuchen, doch ich denke, dieses eine ist am vollständigsten:
(finde den Oli!)
Wo wir gerade bei den Sentimentalitäten sind: Danke! Danke an meine Verwandschaft für die ganzen Briefe und Pakete, die mir meine Zeit versüßt haben. Danke an Opa Hasso, für den es bestimmt viel Arbeit war, eine Karte zu schreiben, und der es trotzdem gut gemeistert hat. Und danke an meine anderen Großeltern und an meine zwei Chemnitzer Mitbewohner (namens Mutti und Vati) für die Adventspakete, auch wenn sie vieles enthielten, was man auch in Finnland erwerben kann und was zudem im Überfluss nicht gut sein soll.

Ich habe versucht, mich etwas zu revanchieren und habe endlich mal die Postkarten an die Familie abgeschickt, welche wohl nur wenige Stunden vor mir eingetroffen sind. Den Rest der Bande - es sind insgesamt 24 Karten, die ich gekauft habe (nein, ich pflege nicht, zu jeder Karte ein Bier zu trinken) - muss ich leider noch etwas vertrösten, aber im neuen Jahr bestimmt :-)
Wie dem auch sei, der typisch deutsche Adventsinhalt dieser Pakete (Räuchermännchen, klingelpyramide) hat für viel Besinnlichkeit gesorgt und kam bei zahlreichen Anlässen zum Einsatz. So zum Beispiel bei kleinen Adventssonntagtreffen, beim internationalen Christmasdinner oder zu Feuerzangenbowlenabenden:

Eigentlich trugen diese Pakete ja immer den Namen "Nikolauspaket". Und obwohl wir natürlich auch Nikolaus gefeiert haben (ich habe die Schuhe meiner Mitbewohner gefüllt, Jeremy dafür unsere Socken und zudem haben wir Deutschen noch untereinander gewichtelt),

muss man ja erwähnen, dass in Finnland eigentlich kein Nikolaus gefeiert wird. Die Finnen haben am 6. Dezember nämlich etwas viel wichtigeres vor: Ihre Unabhängigkeit zu feiern, die sie sich im Zuge der Revolution in Russland 1917 sichern konnten. Beeindruckend zu sehen, dass man einen Nationalfeiertag auch noch anders als deutsch ("Was? Tag der deutschen Einheit? Ich dachte, das nennt man Bundestag...") und amerikanisch, d.h. stark patriotisch feiern kann. Für Finnen ist dieser Tag ein Tag des zur Ruhe Kommens und des Respekts (vor den Kriegshelden). Genau wie ich stellen viele Finnen zwei Kerzen ins Fenster

und hören in der Stadt dem Bürgermeister zu, mit anschließendem Singen der Nationalhymne und Feuerwerk.

Viel mehr jedoch, so ungefähr 2 Millionen Finnen (mehr als ein Drittel der Bevölkerung) schauen sich am Abend dann den Empfang bei der Präsidentin an und gehen gespannt der Frage nach, ob Lordi seine Einladung wahrnimmt, dann aber ohne Maske. (Zur Info: Lordi wollte die Maske nicht abnehmen und kam nicht, schickte jedoch seine Frau)
Den Vorabend zum Unabhängigkeitstag waren einige von uns bei einer Hand voll Tutorinnen zum "pikkujoulu", also meiner zweiten Vorweihnachtsfeier, eingeladen. Sie hatten gebacken, ein kleines Quiz veranstaltet und Weihnachtsmann gespielt:

Anschließend ging es noch ins Bebop, ein hübscher Laden mit guter Musik und Bier für 50 Cent. Nachdem eine spanische Austauschstudentin den Strip- und Rodeowettbewerb gewonnen hatte, erschien die halbe Erasmusgruppe zum Tanzen.

Trotzdem verließen Daniel und ich die Party zeitig, womit wir auf ein Paradoxon zu sprechen kommen, welches, nun, paradox ist, irgendwie: Obwohl ich in diesem Artikel fast nur Parties erwähnen werde und meine Erinnerungen über den Dezember auch nicht viel mehr enthalten, habe ich mich auf den alten Oli zurückbesinnt und des öfteren eine Party "geschwänzt" oder habe mich zeitig davon geschlichen, um dumme Fragen zu vermeiden ("Warum willst Du denn jetzt schon los?"). Zum einen lag das daran, dass mir das Feiern doch langsam zu viel wurde und zum anderen daran, dass man doch noch irgendwas vom kommenden Tag haben möchte (wenn die Sonne nun schon kaum scheint), zu mal das Studium doch etwas komplexer geworden ist in der dritten Periode. Allerdings scheinen es dieses mal größtenteils interessantere Kurse zu sein.
Einige Events will man dann aber doch nicht missen. So zum Beispiel den Besuch beim "Nääspeksi", der Tamperer Variante des aus Schweden stammenden Improvisationstheaters namens Spex. Auch ohne finnisch zu verstehen, war das sehr lustig, ähnlich wie Theatersport in Chemnitz, nur mit mehr Musik.
Und dann wäre da noch das legendäre SitSit zu nennen, ein formales akademisches Dinner, bei welchem sich alle fein anziehen (die Kleiderordnung wurde für die internationalen Studenten schon deutlich gelockert; ich hatte mir trotzdem extra eine schwarze Hose und eine Krawatte gekauft), fein essen, zu Reden lauschen und einander kennenlernen. Um das ganze etwas aufzuheitern, gibt es Wein, Schnaps und Vodka dazu, und es werden internationale Trinklieder angestimmt ("eisgekühlter Pommerlunder" und "Trink, trink, Brüderlein trink" sind nur zwei der deutschen Beispiele), sowie lustige Schmankerl eingebaut (unser Wohnheim in Lebkuckenform, T-Shirtverlosung, auf die Stühle steigen...)

Die Stimmung wurde immer besser und am Ende, nach dem wir Herren den Damen Rosen geschenkt haben, tanzten alle zu Klaviermusik nach den Beatles, machten Fotos und hatten einfach nur Spaß. Fast unnötig zu erwähnen, dass die folgende Saunaparty sicherlich eine der besten Parties meines Lebens war.

Nachdem ich nun so oft Gast war, war es auch an der Zeit, ein mal selber Gastgeber zu sein, und so fand das Ansehen von "Deutschland ein Sommermärchen" bei mir statt. Usman hatte dafür sein Sofa in die Küche ausquaritert (d.h. sie steht da jetzt zum Glück immer noch) und Lichterdeko gekauft (was eine sehr nette Geste ist, wenn man bedenkt, dass man in Pakistan kein Weihnachten feiert). Ich hatte Paella und Nudelauflauf gekocht und Martin hat Weihnachtsmann gespielt, um Weihnachtskalender zu verteilen (der Abend fand am 1. Dezember statt, ich schreibe dieses mal nicht chronologisch). Mit ein paar Bier danach wurde es ein sehr ausgelassener Abend (mit Karaokesingen in unserem Appartment).

Das ganze war jedoch nur ein Kaffetrinken im Vergleich zur Floor-/Gangparty bei Daniel, wo das ganze Mikontalo anwesend war.

Unglücklicher Weise führte diese Art von Parties und das wiederholte Singen des "Mikontalo, wach auf!"-Liedes halb 5 Uhr morgens zu erheblichen Spannungen zwischen einheimischen und ausländischen Bewohnern. Da ich mich schon ausführlich an einer Onlinediskussion zum Thema beteiligt hatte (und das teilweise mit wenig populären Aussagen über besoffene Finnen), fand ich mich auch einen Tag vor meiner Abreise noch zu einer Diskussionsgruppe an der Uni ein und stellte dabei fest, dass Finnen, was Regeln etc. angeht, manchmal noch deutscher sein können als Deutsche.
Ihr seht also, trotz meiner Erkältung, die mich fast eine Woche komplett k.o. gesetzt hat, ging es mir ganz gut im Dezember und, auch wenn ein Tapetenwechsel gut tut (irgendwann hängt man sich ja immer zu sehr auf der Pelle), ist es schon schwer, Abschied zu nehmen. Natürlich komme ich wieder im Januar, nur wir die Welt da nicht mehr so sein wie früher, nicht zuletzt, weil uns so viele Leute schon ganz verlassen und im Januar nicht mehr anzutreffen sind. Neue Leute werden erst im Fenruar ankommen, vermute ich.
Nun heißt es erst mal, wieder im alten zu hause eingewöhnen, was mir leichter fallen wird, als ich dachte. Irgendwie ist hier alles so, als wäre ich nie weg gewesen. Ich bin mit meinen Gedanken in zwei Welten gleichzeitig. Müde werden, klappt aber immer, jetzt ist es auch nach deutscher Zeit bereits 4:15 Uhr.
Ich schreibe euch, wie es mir in den kommenden Deutschlandtagen gehen wird.
Bis dahin eine schöne Vorweihnachtswoche,
Oli
P.S.: Liebe Chemnitzer. Wir können uns die kommenden zwei Wochen gerne mal treffen. Zu erreichen bin ich jetzt wieder unter meiner alten deutschen Nummer.