Oli in Finnland (Suomessa)

28.9.06

German Gemütlichkeit

Diese Woche lief etwas gemütlicher ab, nicht zuletzt wegen zu erledigender Hausaufgaben, Vorlernen und so. Denn nächste Woche bleibt mir dafür ja keine Zeit. Mein Reiseoktober verbreitet fast ein wenig Unwohlsein in meinem Innersten (was aber ganz gut so ist, ich hatte schon befürchtet, spontan zu werden). Betrachtet man es also von der Seite, so ist es vielleicht auch nicht ganz so gemütlich, sondern fast Stress, aber auch nur fast. Trotzdem werde ich einen Kurs canceln: Es geht um wissenschaftliches Schreiben und ich bin weder Wissenschaftler noch hätte ich ein Thema, über das ich schreiben könnte. Der Kurs ist eher an Diplomanden und Doktoranden gerichtet und da fehlt mir irgendwie der Bezug dazu, so dass ich meine Energie lieber in andere Dinge setzen möchte. Ich habe noch ein wenig schlechtes Gewissen Daniel gegenüber, der den Sch**ß (finnisch: Paska) dann alleine weiter machen würde, aber ich schätze ihn tough genug dafür ein.
Bei all den Schreibarbeiten, die man hier in Finnland so hat (habe ich schon erwähnt, dass das Studium etwas mehr Arbeit ist als in Deutschland?), ist jetzt auch noch eine dazu gekommen: Die Fachschaft von Jens hätte gerne einen Erfahrungsbericht von uns "internationalen" Deutschen über dieses Orientierungsspiel, über welches ich im letzten Beitrag berichtet habe. Na mal sehen, was das wird...
Und das vernünftige Arbeiten ist hier gar nicht so einfach: Ich habe in ganz Finnland keinen Collegeblock mit Rand gesehen (das machen die hier wirklich noch selbst), wenn man einen mit heraustrennbaren Blättern will, muss man lange suchen, und die kleinste Kästchengröße beträgt 7x7mm (zum Vergleich: in Deutschland ist 5x5 mm üblich), was ich höchstens noch aus der Grundschule gewöhnt bin. Trotzdem bezahlt man für 60 Blatt fast doppelt so viel wie daheim für 80, ganz zu schweigen von den Preisen für Blöcke mit bunten Motiven. Doch da hört der Spaß nicht auf: Findet mal nen vernünftigen Schnellhefter. Schon auf meine Frage nach nem Hefter überhaupt wurde ich komisch angesehen (das ist hier wohl unüblich, statt dessen schmeißt man alles nur in Mappen) und daher gab es auch nur die Plastikhefter á la Grundschule im Angebot. Doch ehe ich mich dumm und dämlich hefte damit, habe ich mich jetzt doch für einen Ordner entschieden. Ich nehme an, das alles ist die Strafe dafür, dass ich das Nachfragen meiner Eltern zum Thema Import von Studiermaterialien eher belächelt habe. ("Finnland hat auch Schreibwarenläden...")

So, nun aber zu den Ereignissen der Woche: Der Montag begann mit dem Geburtstag von Volker (an dieser Stelle sollen natürlich Peter und Saskia aus der Heimat nicht vergessen werden, die an diesem Tag ebenfalls Geburtstag hatten) und wurde bei ihm in der Wohnung mit Bier, Cider, Kuchen und "Assitoni" gefeiert.
Am Dienstag machten Julia, Martin, Jens und meine Wenigkeit uns auf zum 2. deutschen Stammtischtreff. Letztes mal sollen da 20 Finnen (also Finninen) und 2 Deutsche gewesen sein. Naja, diesmal waren es wir 4 Deutsche und eine Finnin. Nachdem wir endlich beim Aussichtsturm des Pyynikki oben angekommen sind, ich auf Toilette war, 2 Donuts und einen Kakao genießen durfte und anschließend noch 2 Finninen und ein Finne hinzugestoßen sind, fing es an, lustig zu werden. Wir gingen herunter zum Rosendahlstrand, der wohl einer meiner Lieblingsplätze hier in Tampere wird:


Dort haben wir Deutschen das erste mal das typisch finnische Spiel "Mölkky" gespielt und obwohl ich nicht so erfolgreich war, hat das riesen Spaß gemacht:


Finnen können also neben Partys und so auch mal nen gemütlichen Tag einlegen. "Scheen, fost ä bissel wie zu hause."

Das Heimatsgefühl hat sich am Mittwoch dann noch verstärkt, als sie im Kino einen deutschen Film gezeigt haben (ein Projekt der deutschen Bootschaft und des Goetheinstituts). Er hieß "halbe Treppe" und war nicht nur seltsam (etwas langweilig, dann aber wieder sehr lustig), sondern auch nicht gerade eine Werbung für Deutschland: Bei hässlichem Wetter in einer hässlichen Stadt (Frankfurt/Oder) machen hässliche Leute mit einem noch hässlicheren Dialekt (zum Glück gab es ja englischen Untertitel) hässliche Dinge (Fremdgehen und so). Das ganze muss irgendwann zwischen Britney Spears und Euroeinführung gewesen sein. Da von meiner spanischen Buddy-Gruppe niemand erschienen ist, saß ich neben der "Chefin" des deutschen Stammtisches, welche ich am Vortag kennengelernt hatte. Meine Frage, ob sie jetzt schlecht über Deutschland denkt, verneinte sie noch, die analoge Frage auf Ostdeutschland bezogen hingegen nicht mehr...
Danach war ich noch im Lidl (ein Stückchen Deutschland) und habe in der Stadt so schnell wie noch nie mir ein Paar neue Schuhe gekauft, weil die anderen beiden fast auseinander fliegen.

Am Donnerstag habe ich dann endlich mein schönes Paket aus Deutschland erhalten (ganz vielen lieben Dank an meine Ellis, ich habe gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd. Und bei der Gelegenheit auch noch mal danke an meine Großeltern für die Urlaubskarte). Nur bevor ich es auspacken konnte, hieß es erst ein mal das Teil von der Post nach Hause zu schleppen, wobei ich mich doch etwas überschätzte, denn die Beschreibung "20 Kilo und größer als ein Kasten Bier" traf es doch ziemlich gut. Daher kam ich nur bis zur nächsten Ecke und stand nun da, im Regen, überlegend wen ich anrufen sollte, um um Hilfe zu bitten. Und "just in diesem Moment" (Jens hat damit angefangen altdeutsche Redewendungen zu recyclen) hielt ein Auto neben mir und eine Frauenstimme fragte etwas auf finnisch. Nach dem ich klar stellte, dass ich Ausländer bin, wurde ich erst auf englisch, später auf deutsch, freundlich eingeladen, gefahren zu werden und ich kam aus dem Danken gar nicht mehr heraus. Gut, in einem Hollywoodfilm hätte jetzt meine Traumfrau da gesessen, aber wir wollen es ja nicht übertreiben. Überlegt mal, wie lange ich da in Deutschland hätte warten müssen... Im Appartment gab es dann viel zu schmunzeln: über Bier in den Schuhen, Ostschokolade, Rum, Handtücher, Schlafanzüge, alles was ich halt so vermisst habe:


Jetzt muss ich nach dem Saunieren wenigstens nicht mehr tagelang mit dreckigen Handtüchern duschen. Die Waschmaschinen sind nämlich nahezu eine Woche im Voraus ausgebucht.

Doch der Tag sollte noch besser werden: Mit ein paar deutschen Jungs und Mädels war ich zum Pizzabacken und DVD-schauen verabredet. Nach dem wir uns beim Einkaufen/Ausleihen fast geprügelt hatten, gingen wir zu Julia und Eunike nach hause, um 90 Minuten am Super-Spezial-Jens-Familienrezept-Teig zu basteln.


Während des Wartens auf den Teig und später auf das Gesamtkunstwerk haben wir uns auf meinem Laptop "the Italian Job" (was anders als der Name es vermuten lässt nichts mit Sexualpraktiken zu tun hatte) reingezogen und danach eine echt leckere Pizza genossen. Ich denke, der Abend hat allen viel Spaß gemacht (die Mädels waren sogar überrascht, wieviel haushaltstechnisches Engagement wir Jungs mitbrachten) und wir werden das irgendwann ein mal wiederholen.


Jens ist anschließend noch zur "Bikiniparty" in die Sauna gegangen, ich wollte aber doch heim, weil wir früh um 8 zum Badmintonspielen verabredet waren. Nur dummer Weise war ich dann derjenige, dessen Wecker früh nicht geklingelt hat und Jens derjenige, bei dem ich mich entschuldigen musste.

Morgen, na genauer sogar heute, und am Sonntag werden wir das Jubiläum der Stadt mit Museums- oder Aquariumsbesuchen und einer kleinen Bootsfahrt feiern und uns weiter um Lernerei etc. kümmern. Nicht immer fällt das so angenehm aus wie beim Finnischlernen:


So, jetzt freue ich mich aber auf meine Heia, ich verlass den Computer aber nicht, bevor ich noch zwei wichtige Dinge erledigt habe:
Erstens will ich noch auf die Blogliste von Marie hinweisen. Sie ist um einiges vollständiger als die meinige und bietet somit jede Menge Lesespaß für dunkle Herbsttage (die zumindest hier definitiv näher kommen).
Und zweitens hatte ich noch einen kleinen Beweis nachzureichen:


In diesem Sinne: Immer schön auf dem Boden bleiben, Leute!
euer Dicker

3 Comments:

  • Ahoi,

    waren das früher nicht 5mm x 7mm-Blöcke? Also auf jeden Fall rechteckig. Aber irgendwie komisch.

    Die Bilder vom Bungee-Springen sehen lustig aus. Hätte nicht gedacht, dass du das machst. Respekt!

    Gruß
    Alexander

    By Anonymous Anonym, at 30.9.06  

  • Ich lese das hier immer wieder gerne.

    By Blogger hellgruen, at 22.10.06  

  • danke für die hellgrünen Blumen. Ich schreibe es ja auch immer wieder gerne, nur hat man ja immer so wenig Zeit. Aber um das Kompliment zurückzugeben: Ich mag den Finnmarieblog auch sehr :-)

    By Blogger Oliver, at 22.10.06  

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