Oli in Finnland (Suomessa)

23.8.06

Die erste Woche

Hallo ihr Lieben (terve suomista saksaan),

endlich finde ich ein mal Zeit, meine ersten Erlebnisse hier in Finnland nieder zu schreiben. Denn in der Uni war heut nur eine kurze Einführung meiner Fakultät und jetzt warte ich darauf, dass meine Wäsche im Waschkeller fertig wird. Ich bin schon gespannt, denn schließlich ist es bis auf wenige kleine Ausnahmen meine erste selbstangesetzte... ;-)

Da ich auf Grund fehlenden Internets (hier im Mikontalo ist echt kein Administrator zu erreichen, letztendlich habe ich meine IP eher durch Ausprobieren herausgefunden) und vollen Orientierungswochen- und Freizeitplänen noch nicht zum Schreiben gekommen bin und es sicherlich viel zu erzählen gibt, verweise ich erst mal ganz elegant auf Daniels Blog und beschränke mich selbst auf das wesentliche und ein paar persönliche Ergänzungen.

Anreise
Die Anreise war unspektakulär, aber lang. Von Chemnitz ging es über Leipzig nach Berlin mit dem Zug und von dort aus weiter nach Helsinki mit dem Flugzeug. Überaschender Weise gab es Essen und Getränke umsonst und im Vergleich zu Ryanair war es doch schon Luxus. In Helsinki angekommen hieß es warten, warten warten:



Das alles nur um dann in eine eher brüchige Propellermaschine einzusteigen und mit dem guten Gefühl, ein zweites mal geboren worden zu sein, wieder auszusteigen.

Wir waren zwar eine halbe Stunde zu spät, aber unser Tutor war sogar noch eine viertel Stunde später, so dass sich das gut ausglich und wir dann zu fünft (unser Fahrer Ilkka, ein Spanier mit seiner Schwester, Daniel und meine umfangreiche Wenigkeit) mit Gepäck in so ner kleinen Schüssel nach Tampere/Hervanta gefahren sind.

Mein Zimmer
Nun also mitten in der Nacht angekommen und schon Daniels Appartment gesehen kam ich dann endlich in dem meinigen an und musste feststellen, dass es nicht ganz so aufgeräumt war. Das war aber noch gar nichts gegen mein eher leeres Zimmer mit dem wirklich nicht lecker anzusehenden Bett (ohne Decke oder Kissen) und die noch ekligeren Bettlaken im Schrank. Bis auf den Blick zum Nokiawerk hatte das alles nicht wirklich viel Charme zu bieten.



Am nächsten Morgen traf ich dann meinen ersten Mitbewohner. Er heißt Usman, kommt aus Pakistan, wohnt hier schon seit zwei Jahren (dadurch haben wir Töpfe, Mikrowelle...), arbeitet nebenbei noch bei Nokia und ist eigentlich ganz nett, hat aber doch ein eher anderes Verständnis von Reinheit als ich.

Nach unserem Gespräch in dieser Küche



gingen wir dann getrennte Wege und schon am Nachmittag habe ich dann Jeremy aus Wisconsin kennengelernt. Er studiert Nuklearwissenschaft, ist wie ich 21, aber zugegebener Maßen mehr sportbegeistert und auch besser in Finnisch.
Wir drei sind am Abend gleich mal in den nächsten Pub gegangen um einander und zudem die hohen finnischen Preise etwas kennenzulernen.

Zurück zur Wohnung. Also von der Küche aus kommt man direkt in unsere Zimmer, also auch in meines:



Mittlerweile habe ich mich hier halbwegs gut eingerichtet: Ich habe mir Bettzeugs gekauft, einen Papierkorb hingestellt, die Schränke eingeräumt, erste Plakate aufgehangen (die Finnlandflagge und ein paar Fotos kommen noch), mal etwas sauber gemacht (allgemein mache ich hier relativ viel sauber, weil es die anderen beiden nicht so sehr zu stören scheint, wenn sich an den Lüftern der Staub Zentimeterweise sammelt oder an den Flecken in der Mikrowelle zu erkennen ist, was man vor vier Monaten gegessen hat), die Gardinen wieder richtig angebracht und und und ... Mit jedem Schritt fühle ich mich mehr und mehr zu Hause und so weicht die anfängliche Enttäuschung und das Heimweh jeden Tag zunehmend dem Spaß, hier zu sein. (Man glaubt auch gar nicht, was für Wunder Dinge wie eine eigene Tasse oder Bettzeug diesbezüglich bewirken können)

Sehr praktisch ist die Tatsache, dass wir über zwei Bäder verfügen. Eines mit Dusche (welche quasi eins ist mit dem Rest des Raumes) und eines ohne, beide aber mit Waschbecken und Klo (in diese habe ich heute zum Beispiel Klosteine gehängt - nur damit ihr wisst, was für ein Haushaltsstreber ich geworden bin).



Was allerdings doch etwas nervt, und das erwähne ich, weil es gerade wieder passiert, ist das Meeting der Leutz direkt vor meinem Fenster, ganz besonders wenn sie auf das Dach über den Mülltonnen klettern, was ziemlich laut ist. Bei normalen Gesprächen wäre das in Ordnung, aber gerade sind es Finnen und Italiener. Dass Italiener sehr temperamentvoll sind und in ihrer Begeisterung und Lebensfreude einen gerne zuschreien, dürfte jedem bekannt sein. Und auch wenn nicht wirklich viele der Vorurteile über Finnen stimmen, eines kann man mit Sicherheit sagen: Wenn sie Alkohol getrunken haben, benehmen sie sich echt daneben. Sie trinken gerne und viel (trotz der Preise) und vertragen um so weniger. (Schon gegen 20 Uhr sieht man viele besoffen auf der Wiese liegen). Und da stehen nun so 20 Besoffene vor meinem Fenster und schreien was das Zeug hält, 1 Uhr nachts.
Ich würde es gerne zu machen (schließlich ist es eigentlich gar nicht erlaubt es zu öffnen - das muss man sich mal vorstellen), aber was ist besser: Erstickt oder taub und schlaflos?

Freizeit

Jeden Tag lernt man mehr Leute kennen. Auch wenn sich die Deutschen meist unter Deutschen, die Spanier meist unter Spaniern und die Italiener meist unter Italienern aufhalten, ist doch eine sehr internationale Stimmung hier: Italiener kochen uns Kaffee, man diskutiert mit Tschechen über Politik, Sprache und Mädchen, man feiert mit Spaniern (eine Chance meine Spanischkenntnisse einzusetzen) oder singt Französinnen vor, welche Lieder man im Französischunterricht gelernt hat. Diese vielen neuen Bekanntschaften (und sie sind alle sehr nett), die Unternehmungen mit ihnen und der beginnende Alltag lassen mich fast sagen "Tampere ja Mikontalo ovat minun kotini nyt" (Tampere und dieses Wohnheim hier sind nun mein Zuhause)

Was machen wir so in unserer Freizeit? Naja, zum Beispiel gehen wir bei schönem Wetter an einen der vielen wunderschönen Seen in Mitten der Stadt. Das sieht dann so aus:



Heute bin ich wieder mal vom Turm des "Suolijärvi" (laut Wörterbuch der Darmsee, aber eigentlich ist es dort traumhaft) gesprungen und mir dabei irgendwas am linken Ohr getan. Sollte das nicht besser werden, kann ich aber zum Studentengesundheitsdienst an der Uni gehen (ja, die Finnen umsorgen uns ganz liebevoll).



Ansonsten gehen wir viel einkaufen (schließlich benötigt man eine Menge und es ging nicht wirklich alles in die Koffer hinein, die zudem nur 20 Kilo wiegen durften), besichtigen die Gegend oder besuchen abends die Pubs des Stadtteils. Die kommenden Tage wird es auch noch viele durch unsere finnischen Tutoren organisierte Events geben und ansonsten soll die (meiner Ansicht nach relativ schöne) Innenstadt von Tampere viel zu bieten haben. Leider kostet die Rückreise nachts mit dem Bus über 3 €, aber das kann man schon mal investieren...

Gespannt bin ich auch schon auf die finnischen Kinos, denn da soll es ja englischsprachige Filme geben.

Uni
Die Technische Universität von Hervanta (es gibt noch eine zweite Uni hier) ist sehr modern und im Gegensatz zu Chemnitz nicht verteilt, sondern liegt auf einem schönen Campus, welcher nur ein paar Gehminuten von meinem Wohnheim entfernt ist. In den Mensen (es gibt allein auf unserem Campus drei) gibt es sehr gutes, umfangreiches und günstiges Essen (2,35 Euro für einen durch Selbstbedienung gefüllten Teller, frischem Salat mit Dressing, frisches Brot und etwas zu trinken). Ansonsten scheint es hier ähnlich wie zu Hause zu laufen.
In den kommenden Tagen werde ich mir erst mal Gedanken über meinen Stundenplan machen, da ich bisher nur mit zwei Kursen ins Semester starten würde. Dieses wiederum ist übrigens in drei Perioden unterteilt, welche jeweils mit einer Prüfungswoche abschließen. Für den Finnischkurs stehe ich momentan nur in der Warteliste, aber mal sehen...

So, wie man mitbekommen haben wird: Es ist mittlerweile schon nachts, ich geh dann langsam auch mal schlafen. Meine Wäsche ist gut geworden (da bin ich stolz auf mich) und auch schon trocken (das dauert im beheiztem Trockenraum nur vier Stunden).

Nachdem ich nun das Wichtigste erst ein mal losgeworden bin, werde ich mit den anderen Beiträgen vielleicht etwas schneller sein (hoffe ich). Ich könnte zum Beispiel noch über den Finnen an sich und dessen Sprache philosophieren, aber wie gesagt: das ein andermal.

Viele liebe Grüße in die Heimat,
der Neufinne Oli

P.S.: Arvi geht es auch gut.

1 Comments:

  • Schön zu lesen, dass es ihr gut angekommen seid und es euch gut geht! Klingt zwar alles sehr abenteuerlich, aber ihr schafft das schon.

    Viele Grüße aus der Heimat

    Steve

    By Blogger Steve, at 24.8.06  

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